Ketzer - linke Zeitschrift in Warendorf

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KETZER - eine linke Zeitschrift aus und für Warendorf und Umgebung

Seit in Rente bin und relativ viel Zeit habe, schaue ich auch mal in Kisten, die schon lange unbeachtet rumstehen. Dabei sind mir vor einiger Zeit die Ausgaben der Zeitschrift KETZER wieder in die Hände gefallen. Da werden dann Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wach.

Anfang der siebziger Jahre stand politisch der Kampf gegen den Vietnam-Krieg und den (US-) Imperialismus im Vordergrund. In der Nachfolge von APO und antiautoritäter Schülerbewegung gründeten sich auch in Warendorf, ausgehend von drei Gymnasien, linke Gruppen. Zunächst Anti-Vietnam-Kriegs-Komitees, Schulkollektive (SK), dann Liga gegen den Imperialismus und Organisationen im Umfeld der marxistisch-leninistischen (maoistischen) KPD wie Kommunistischer Oberschülerverband (KOV) und Kommunstischer Jugendverband (KJV). Es waren schon ziemlich sektiererische Gruppen. Erstaunlicherweise spielte die DKP in Warendorf kaum eine Rolle. Ende der siebziger Jahre wurde auch den letzten klar, dass der Versuch, die Arbeiterklasse zu organisieren und für die Revolution zu gewinnen, gründlich schief gegangen war. Zwar gingen einzelne Mitglieder in Betriebe, wurden auch Mitglieder der Gewerkschaften (die ihrerseits mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen reagierten) und Betriebsräte. Mitte der siebziger Jahre wurden sogenannte "wilde Streiks" in vorwiegend Metallbetrieben unterstützt. Ingesamt ist es aber nicht gelungen, irgendeinen Einfluss in den Betrieben zu gewinnen. Zudem traten Ende der 70er Jahre andere Fragen in den politischen Vordergrund, die nicht unmittelbar oder nur gekünstelt mit der Klassenfrage beantwortet werden konnten. Es bildeten sich die Anti-AKW-Bewegung, die Anti-Nachrüstungs-Initativen, die Umweltbewegung und eine Vielzahl anderer Initiativen. Konsequenterweise löste sich die KPD 1980 auf. Einen kurzen Abriss der Geschichte gibt es bei Wikipedia. Nach dem Ende dieser Zeit gab es eine Übergangsphase, die letztlich für viele mit einem Engagement bei den Grünen endete. In dieser Zwischenzeit fanden bundesweite Strategiekongresse, aber auch eine stärkere lokale Orientierung statt. Anfang 1981 gründeten einige das Kollektiv Warendorfer Kommunisten und Sozialisten (KWKS) und gaben die Zeitschrift KETZER heraus. Das KWKS löste sich im Herbst 1982 auf (siehe Erklärung in der Nr. 4, Seite 30). "Die Ketzer" wurden Herausgeber der Zeitschrift. Insgesamt gab es sechs Ausgaben von März 1981 bis Anfang 1984. Danach standen die Kommunalwahlen 1984 in NRW an. Hier verhandelten wir mit den Grünen, dass zu den Wahlen eine Grün-Alternative-Liste (GAL Warendorf) antrat mit Kandidatinnen und Kandidaten der Grünen, aus dem Ketzer-Umkreis und andere. Mit dem Einzug der GAL in den Stadtrat hatte sich auch der Ketzer überlebt.

Die Zeitschrift selbst ist mit "Eigendruck im Selbstverlag" höflich umschrieben. Geschrieben wurde mit Schreibmaschine, layoutet mit viel Liebe, Engagement, Schere und Kleber, gedruckt immerhin Offset. Die Karrikaturen wurden überwiegend aus Seyfrieds Büchern übernommen. Auf Quellen- oder Copyright-Angaben (bürgerlicher Kleinkram) wurde gerne verzichtet.

Die Zeitschriften sind Dokumente einer kurzen Zeitgeschichte. Beim Lesen nach fast vierzig Jahren ist mir aufgefallen, dass einige Artikel und Positionen immer noch aktuell erscheinen, zumindest aber noch meiner heutigen politischen Überzeugung entsprechen. Auch die inhaltliche Breite - von Politik, Lokalem, Sozialem, Frauenbewegung, Datenschutz, Anti-AKW, Literaturhinweise und -kritik bis zur Musikbesprechung - beeindruckt mich heute noch.

Wer sich selbst davon überzeugen oder einfach an die "guten, alten" Zeiten in Warendorf und Umgebung erinnern will, kann die sechs Ausgaben hier lesen bzw. herunterladen: